Kulturgigant mit wechselvoller Geschichte

Klischees über Argentinien gibt es viele: Tango, Fußball, Gauchos, Steaks. Dabei ist der bevölkerungsmäßig drittgrößte Staat in Südamerika ein Kulturgigant. Zu den prägenden argentinischen Schriftstellern der Weltliteratur gehören Jorge Luis Borges, Julio Cortazar und Manuel Puig. Berühmtester Komponist ist Astor Piazolla, die bekannteste Stimme gehört Mercedes Soza. Wesentlich ärmer wäre die klassische Musikwelt ohne Martha Argerich, Sol Gabetta und Daniel Barenboim.

Zum Exportschlager hat sich auch das argentinische Kino entwickelt, das mit Regisseuren wie Luis Puenzo, Pino Solanas und Juan José Campanella weltweit Auszeichnungen erhält. Außerdem besitzt Argentinien eine äußerst lebendige Theaterszene, vor allem in Buenos Aires mit seinen unzähligen Theatersälen, aber auch in Städten wie Rosaria. Rafael Spregelburd, Mariano Pensotti und Lola Arias sind dank ihrer Gastspiele und Inszenierungen in Deutschland längst zu Aushängeschildern des argentinischen Theaters geworden.

Rund 43 Millionen Menschen leben in Argentinien, das eine wechselvolle Geschichte hat. Am Ausgang des 19. Jahrhunderts erlebte es einen ersten erheblichen Wirtschaftsboom, an dem nicht zuletzt die großen Migrationswellen aus Spanien, Italien und später auch aus Deutschland ihren Anteil hatten. Auf die Década infame, die Militärdiktatur der 1930er-Jahre, folgte mit der Wahl Juan Domingo Peróns zum Präsidenten 1946 eine der bis in die Gegenwart prägendsten Epochen der argentinischen Geschichte. Zusammen mit der schillernden First Lady Eva, genannt Evita, führte Perón das Land durch intensivierte Industrialisierung und eine aktive Sozialpolitik in einen bis dato ungekannten Wohlstand. Der Peronismus scheiterte am eigenen Autoritätsstreben und den hohen Staatsschulden: 1955 putschte erneut das Militär; eines der dunkelsten Kapitel argentinischer Geschichte nahm seinen Anfang, das in der Militärdiktatur Jorge Rafael Videlas gipfelte, der Zehntausende Regimegegner zum Opfer fielen.

Erst seit 1983 wird Argentinien als präsidentielle Bundesrepublik demokratisch regiert und schwankt zwischen Phasen des Aufschwungs und schweren wirtschaftlichen Krisen. Geprägt waren vor allem die letzten beiden Dekaden dabei erneut von einem Präsidentenpaar: Néstor Kirchner und seiner Frau Christina Fernández de Kirchner, die von 2003 bis 2015 in direkter Nachfolge aufeinander das Land regierten. Im Herbst 2019 wurde Christina Kirchner inmitten einer erneuten schweren Währungs- und Wirtschaftskrise als Alberto Fernández' Vizepräsidentschaftskandidatin erneut in die Regierungsverantwortung gewählt.