Interview

Wer spricht?

von Margarita Borja und Georg Kasch

Nach der Corona-Pandemie hatte man schon gezweifelt, ob es je eine dritte ¡Adelante!-Ausgabe geben würde. Nun aber steht die Auswahl fest, die wie schon 2017 und 2020 von den Kurator:innen Ilona Goyeneche und Jürgen Berger (zusammen mit den künstlerischen Leiter:innen Holger Schultze und Lene Grösch) getroffen wurde. Ein Gespräch über Politik und Ästhetik, Identität und Überraschungen beim Sichten.

Ilona, Jürgen, die letzte Ausgabe von Adelante fand 2020 kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie statt. Habt Ihr bei Euren Sichtungen noch Spuren der Pandemie und der Lockdowns gefunden?

Jürgen Berger: Ja, durchaus. In einigen Ländern hat man gemerkt, dass sie jetzt gerade erst wieder anfangen zu spielen. Das war eine gemischte Aufbruchstimmung, die auch mit Angst verbunden war: Wie wird das jetzt? Wie sieht es mit dem Geld aus? Man hat es ja hier immer mit einer freien Szene zu tun, in der politische Entscheidungen eine große Rolle spielen. Als ich zum Beispiel in Brasilien war, noch vor der Wahl, wusste man nicht, ob Bolsonaro oder Lula der nächste Präsident sein und was das kulturpolitisch bedeuten würde. Das resultierte in einer gewissen Verhaltenheit. Aber es gab auch eine große Freude, endlich wieder gemeinsam Theater machen, zeigen und sich überhaupt begegnen zu können.

Essay

Iberoamerika? 

von Romina Muñoz Procel

"Das Theater erscheint mir wie Brot, weil es so sehr in Allem, auch im Alltäglichen enthalten ist, eine Art Mittel, das in allen Zeiten und Kulturen vorhanden war und ist; ich stelle mir Theater als Licht vor, als eine Sehnsucht danach, all das zu erhellen, was wir nicht verstehen oder was wir nicht mögen; und ich denke mir das Theater als Schmerz, wegen der ständig scheiternden Aushandlunsgprozesse zwischen Brot und Licht."
María Folguera 

Denkt man an Iberoamerika, ruft das eine Reihe von bruchstückhaften Bildern hervor. Da sind höchst unterschiedliche Landschaften, begrenzt vom eisigen Atlantik und dem warmen Pazifik, in denen die Menschen von einem Ort zum anderen wandern, was an Bilder erzwungener Migration erinnert. Da erscheinen wie in einer Fotomontage verkrampfte Aushandlungsprozesse zwischen Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Eigenschaften und Interessen, Erben der komplexen Kolonialisierungsgeschichte Lateinamerikas. Da kreuzen sich die Wege verschiedener Gemeinschaften, die durch ihre Kleidung und Traditionen die Verbindung zu ihren Vorfahren aufrechterhalten. Lauter ineinander verflochtene Situationen, in denen die Symbole und Bilder nicht zusammenzupassen scheinen.