Liberales Land mit kolonialer Vergangenheit

Portugal ist ein kleines Land an der Westküste der iberoamerikanischen Halbinsel – mit großer Wirkung. Im 12. Jahrhundert gegründet, stieg es im 15. Jahrhundert dank seiner Seefahrer zur ersten Weltmacht auf. Von seinen Kolonien in Afrika, Asien und Südamerika kündet bis heute die portugiesische Sprache.

Lange war das Gebiet Portugals selbst durch Kolonialisierungen geprägt, als römische Provinz Lusitania, später als Teil des Kalifats von Córdoba. Aus der Grafschaft Portucale entwickelte sich das 1143 gegründete Königreich. Im 14. und 15. Jahrhundert stieg Portugal zu einer führenden europäischen Handels- und Seemacht und dank der Einkünfte aus dem Indienhandel zu einem der reichsten Länder Europas auf.

Als 1580 die herrschende Dynastie ausstarb, wurde Portugal für 80 Jahre zur spanischen Provinz. Erst eine Adelsrevolte sicherte 1640 erneut die Unabhängigkeit. 1755 vernichtete ein Erdbeben große Teile der Hauptstadt Lissabon – ein Ereignis, das in ganz Europa wahrgenommen wurde und einerseits die Philosophie der Aufklärung prägte, andererseits Eingang in die Weltliteratur fand (Voltaires "Candide", Heinrich von Kleists "Das Erdbeben in Chili"). Als 1807 napoleonische Truppen Portugal besetzten, floh die königliche Familie nach Brasilien – der König kehrte erst 1822 auf Druck des Adels zurück. Im selben Jahr erklärte Brasilien seine Unabhängigkeit. 1910 wurde Portugal zur Republik, blieb aber politisch instabil. 1926 putschte das Militär, 1933 etablierte Ministerpräsident António de Oliveira Salazar mit dem "Estado Novo" eine konservativ-autoritäre Diktatur, die erst 1974 mit der Nelkenrevolution gestürzt wurde. Damit endete auch der 13 Jahre währende Krieg Portugals gegen die nach Unabhängigkeit strebenden Kolonien in Afrika. Portugals letzte Kolonie Macau wurde allerdings erst 1999 in die Unabhängigkeit entlassen.

Erst allmählich stellt sich das Land mit seinen gut zehn Millionen Einwohner*innen der Problematik dieses schwierigen kolonialen Erbes. Dabei haben die kolonialisierten Gebiete die portugiesische Kultur stark beeinflusst. Etwa den Fado, dieser meist melancholisch grundierte Musikstil, vermutlich eine Mischung aus Liedern portugiesischer Seefahrer und den Rhythmen afrikanischer Sklaven. Auch der Samba, in Brasilien aus portugiesischen und afrikanischen Elementen entstanden, ist – sozusagen als Reimport – in Portugal populär. Daneben besitzt jede Region Portugals aber auch ihren Folklorestil.

In der Literatur gilt der Renaissance-Dichter Luís de Camões als prägend; im 20. Jahrhundert haben sich Fernando Pessoa und José Saramago (Literaturnobelpreis 1998) in die Weltliteratur eingeschrieben. Stars wie Cristiano Ronaldo, Nené, Eusebio und Rui Costa haben zudem Fußball zur populärsten Sportart in Portugal gemacht.

Lange Zeit war Portugal ein Auswanderungsland; wichtige Zentren der portugiesischen Kultur in der Diaspora gibt es heute in Frankreich und in den USA sowie in Brasilien, Angola, Mosambik, der Schweiz und Luxemburg. Dank der Auswanderer ist die portugiesische Küche weltweit mit Gerichten wie Caldo verde, Sopa alentejana, Bacalhau, den Blätterteigtörtchen Pasteis de Nata und seinen exzellenten (Port-)Weinen populär geworden.

Zur wichtigen Einnahmequelle hat sich nach Ende der Diktatur der Tourismus entwickelt: Portugal gehört zu den meistbesuchten Ländern der Welt; häufigste Reiseziele sind die Algarve und die Region um die Hauptstadt Lissabon.

Trotz seiner vergleichsweise konservativen, katholizistischen Gesellschaft hat sich das traditionell weltoffene Land liberal entwickelt, was sich beispielsweise in der Drogenpolitik oder der Situation der Homosexualität zeigt – die gleichgeschlechtliche Ehe mit allen Rechten und Pflichten wurde bereits 2010 legalisiert. Führend ist Portugal auch in der Energiewende: Das Land deckt inzwischen über zwei Drittel seines Bedarfs aus erneuerbaren Energien. Bis 2050 will das Land klimaneutral sein.