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Die Welt aushalten
von Georg Kasch
Heidelberg, 5. Februar 2024. Gibt es so etwas wie Tabus noch, 2024 im so aufgeklärten Westeuropa? Aber hallo! Wenn Georges Bataille in seiner frühen Erzählung "Die Geschichte des Auges" von orgiastisch-sexuellen Ausbrüchen berichtet, bei denen Schweiß, Blut, Urin und Sperma fließen und alle Vernunft der Begierde weicht, dann zieht man auch knapp hundert Jahre nach Erscheinen scharf die Luft ein.
Pressespiegel zu "História do olho – um conto de fadas Porno-Noir"
’História do Olho - um conto de fadas pornô-noir’ stellt einen Wendepunkt im brasilianischen Theater da. Uraufgeführt beim koproduzierenden Internationalen Theaterfestival von São Paulo MITsp, verwandelte Janaína Leite Georges Batailles Buch in etwas Grandioses. Sie ergänzte den Text mit Autofiktionalem, traumgleichen Bildern, Fantasien, Liedern und der Feier einer freien Sexualität und nutzte die Lücken des Unbewussten, um das frei fließen zu lassen, was sich durch die bürgerliche Moral angestaut hatte. Seit “Festa de separação” hat sich Janaínas Werk wie ein Gebilde entwickelt, das den Todestrieb in Leben verwandelt und sich, wie sie selbst sagt, vom dokumentarischen Realen zum obszönen Realen bewegt. “História do Olho” ist das Ergebnis einer kontinuierlichen szenischen und intellektuellen Forschung, die sich auf die Komplexität von Autoren wie Jacques Lacan und Júlia Kristeva stützt. Dieses Märchen feiert das Leben, während neue Epistemologien von Sex und Kunst entstehen.
Ferdinando Martins
Schamlos normal
Einige von ihnen sind Pornodarsteller. Auf der Bühne berichten sie jenseits von Klischees des Pornografischen, dass ihre Arbeit ein Job sein kann, in dem sie vor der Kamera performen, was sie privat bevorzugen. Und sie stellen Szenen aus "Die Geschichte des Auges" nach, einer Erzählung aus Georges Batailles obszönem Werk, in der es um die Sexualität dreier Jugendlicher geht, der man nicht unbedingt das Prädikat "Blümchensex" zuordnen würde. Janaina Leite, der Shootingstar der aktuellen Theaterszene Brasiliens, inszeniert "Die Geschichte des Auges: Ein dunkles Porno-Märchen" derart leichthändig und skrupellos, dass die Darsteller*innen auf der Bühne sein können wie die Jugendlichen in Batailles Erzählung: schamlos normal, verspielt herausfordernd, märchenhaft provokant.