Ein Mythos vor dem Wandel?

Noch scheint der Traum von Kuba nicht ausgeträumt, aber das Erwachen naht. Zumindest, seitdem die kubanisch-US-amerikanischen Beziehungen sich erstmals seit Jahrzehnten entspannen, steht der kleine Inselstaat in der Karibik vor dem Umbruch. Denn die Öffnung des Landes in diplomatischer wie wirtschaftlicher Hinsicht könnte große Veränderungen bringen und den sozialistischen Retro-Traum nach und nach beenden.

Kuba, das war vor allem unter europäischen Linken immer das Land der Revolutionäre Fidel Castro und Ernesto "Che" Guevara, die 1958 den von den USA gestützten Diktator Fulgencio Batista erfolgreich aus dem Amt putschten. Damit setzten sie zugleich – und das begründet bis heute den kubanischen Mythos – dem US-Imperialismus das bislang einzig gelungene sozialistische Staatenexperiment direkt vor die Haustür. Die Hauptstadt Havanna wurde mit ihrem bröckelnden Kolonialcharme, der legendären Musikszene (von Wim Wenders durch seinen Film "Buena Vista Social Club" auf den Denkmalsockel gehoben), den Oldtimern und Zigarrenmanufakturen zum Sehnsuchtsort von Generationen weltweit. Kuba, das hieß und heißt noch immer Widerstand, Authentizität und Unangepasstheit.

Doch Kubas avisierte Öffnung bietet dem 11-Millionen-Einwohner-Staat auch eine Chance. Denn diesseits aller Klischees und Verklärung sind weite Teile der kubanischen Bevölkerung von Armut betroffen, der durchschnittliche Monatslohn eines Berufstätigen beläuft sich auf umgerechnet 26 US-Dollar. Und obwohl die kubanische Regierung gerne erklärt, dass es auf Kuba keinen Hunger gebe, liegt der Anteil jener, die sich maximal eine Mahlzeit am Tag leisten können, schätzungsweise bei rund 35 Prozent. Der Mythos Kuba lebt, aber die Realität lauert ihm doch überall auf.