Der Kontinent am Zuckerhut

Brasilien ist das flächen- und bevölkerungsmäßig größte Land Südamerikas – und wahrscheinlich der international bekannteste Botschafter der lateinamerikanischen Kultur. Dazu gehören der weltberühmte Karneval von Rio de Janeiro, Samba und Bossa Nova, der Strand von Copacabana, allerhöchste Fußballkunst, die Architektur von Oscar Niemeyer und Tom Jobims ewiger Klassiker "The Girl from Ipanema".

Brasiliens Vielfalt bildet dabei die Diversität seiner Bevölkerung und die kulturellen Einflüsse ab, die das Land in seiner langen Geschichte geprägt haben. Denn der 200-Millionen-Einwohner-Staat ist seit Jahrhunderten Zielpunkt verschiedenster, freiwilliger wie erzwungener Migrationsbewegungen. Während die portugiesische Krone schon im 16. Jahrhundert über drei Millionen afrikanischer Sklaven zur Arbeit auf den Zuckerrohrplantagen in die brasilianische Kolonie verschleppt hatte, waren es in den folgenden Jahrhunderten vor allem europäische und asiatische Einwanderer, die sich im Land angesiedelt haben. So sind bis heute zum Beispiel über 40 Prozent der brasilianischen Bevölkerung deutscher Herkunft.

Dass Brasilien gerade wegen der lange erprobten Multikulturalität als ein Staat gilt, in dem Menschen unterschiedlicher Abstammung zumeist friedlich nebeneinander leben, sollte jedoch nicht verdecken, dass auch die brasilianische Gesellschaft in sozialen Fragen vielfach entlang der Hautfarben gespalten ist. Die anhaltenden Konflikte in und um die Favelas, die Armenviertel an den Rändern der Megastädte, sind dabei nur ein Aspekt einer Gesellschaft, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. Insbesondere der putschartige Sturz der gewählten Präsidentin Dilma Rousseff durch eine korrupte Machtelite um den jetzigen Präsidenten Michel Temer hat die Verletzlichkeit des politischen Systems Brasiliens und die Macht von Boulevardmedien wie des Zeitungs- und TV-Konzerns O Globo gezeigt.